Berlin will hoch hinaus – aber nicht mehr überall

Berlin will hoch hinaus – aber nicht mehr überall

Senat will mit einem Entwicklungsplan den Wildwuchs von Wolkenkratzern verhindern. Gebaut werden soll nur noch in bestimmten Gebieten. 

Katrin Lompscher (3.v.l., Die Linke) beim Richtfest für einen Hochhaus-Neubau mit 113 Wohnungen in Lichtenberg

Das vorerst höchste Hochhaus soll 175 Meter in den Himmel ragen. Allerdings entsteht es nicht in der Innenstadt, sondern in Neukölln. Der geplante Anbau des „Estrel“-Hotels ist das ehrgeizigste Projekt, das sich derzeit in konkreter Planung befindet. Insgesamt 18 weitere Hochhausvorhaben liegen in den Bezirken vor. Manche davon, wie der Masterplan Alexanderplatz mit neun Wolkenkratzern, warten seit 20 Jahren darauf, realisiert zu werden.

Um den derzeitigen Hochhausboom zu bändigen, will der Senat einen Hochhaus-Entwicklungsplan vorlegen, der den Wildwuchs von Wolkenkratzern in der Stadt regelt. „Normalerweise stehen die höchsten Häuser in der Innenstadt und werden Richtung Stadtrand immer niedriger“, sagt die Fraktionschefin und Stadtplanungsexpertin der Grünen, Antje Kapek. Das sei aber in Berlin wegen der geteilten Geschichte und der vielen Stadtzentren nicht möglich. Dennoch sei es nötig, über die Art und das Maß der Hochhauspläne zu entscheiden. „Wir verschließen uns nicht der Tatsache, dass es künftig mehr Hochhäuser gibt“, sagt Kapek. Aber über das Wo und Wie müsse sich der Senat verständigen. So habe München ein sehr restriktives Hochhausleitbild entwickelt, das die beschauliche Silhouette der Stadt schützt und Hochhäuser in der Innenstadt kaum ermöglicht.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat in der Verwaltung bereits erste Schritte eingeleitet, die nun mit allen Beteiligten und vor allem den Bezirken besprochen werden sollen, denn hier werden die Bauvorhaben in der Regel genehmigt. Lüscher hat bereits in ihrer Zeit in Zürich ein entsprechendes Leitbild für die Stadt entworfen. Dort wurden Ausschlusskriterien vereinbart, die Hochhäuser in historischen Stadtteilen ebenso untersagen wie in der Nähe von Stätten des Unesco-Kulturerbes oder anderen „sensiblen Gebäuden“.

Jetzt sei zu besprechen, welche Kriterien für Hochhäuser in Berlin in das Leitbild aufgenommen werden. „Für mich ist wesentlich, dass nicht allein städtebauliche und ästhetische Kriterien berücksichtigt werden“, so Lüscher. „Auf jeden Fall sollte auch geklärt werden, welche Verpflichtungen der Bauherr übernimmt.“ Denkbar sei auch, für bestimmte Gegenden die Höhe der neu entstehenden Hochhäuser zu begrenzen. So könnte die Höhe für Häuser in Wohngegenden deutlich gedeckelt werden, während an Standorten mit bereits bestehenden Hochhäusern weniger restriktiv vorgegangen wird. Denkbar sei auch, dass sich die genehmigte Höhe an bestehenden Bauten in der Umgebung orientiert.

Streit über Hochhäuser in der City Ost

Die Koalition ist sich zwar darin einig, einen Plan für die künftige Genehmigung vorzulegen, Streit könnte allerdings über die tatsächlichen Standorte entstehen. Während die SPD den Alexanderplatz als „idealen Standort“ für weitere Wohntürme ansieht, ist die Linke da zurückhaltender. Der Blick auf die bestehenden Bauten der sogenannten Ost-Moderne soll nicht zerstört werden, heißt es. Der Senat hatte zuletzt die ursprünglichen Hochhauspläne für den Alexanderplatz zunächst revidiert und sich darauf verständigt, nur noch neun statt der geplanten zehn Hochhäuser zuzulassen. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat nun aber angekündigt, die Pläne noch einmal grundsätzlich auf den Prüfstein zu stellen. Sie steht den Plänen des Masterplans Alexanderplatz für die Hochhäuser seit Jahren skeptisch gegenüber.

Demgegenüber steht der Wunsch vieler Investoren, in den Metropolen verstärkt auf Wolkenkratzer zu setzen, um die Nachfrage nach Wohnungen zu befriedigen. Allerdings ist das Bauen kostspielig, es sollen vor allem teure Eigentumswohnungen entstehen, die die Wohnungsnot in Berlin nicht beheben. Bei den geplanten Neubauten in der City Ost beginnt der Kaufpreis bei 5000 Euro je Quadratmeter – für die allermeisten Berliner unerschwinglich.

Die Linken wollen deshalb genaue Anforderungen im Hochhausplan formulieren. „Hochhäuser, in denen Wohnungen als Drittwohnsitz dienen, braucht kein Mensch“, sagt die Stadtentwicklungsexpertin der Fraktion, Katalin Gennburg.

Aber nicht nur in der City Ost und City West gibt es derzeit Hochhausvorhaben. Auch in anderen Ortsteilen sind Wohnhochhäuser im Bau. So entstehen an der Mercedes-Benz Arena in Friedrichshain zwei 86 und 95 Meter hohe Wohntürme. In Kreuzberg und Steglitz werden zwei 89 Meter und ein 118 Meter hoher Büroturm zu Wohnzwecken umgebaut. Das Forschungsinstitut bulwiengesa sieht Berlin im Bundesvergleich auch deshalb als künftigen Hochhausstandort Nummer eins an, weil sich hier in den kommenden Jahren die meisten Bauvorhaben realisieren ließen. Viele Architekten würden auch an anderen Stellen in der Stadt gern höher bauen. Der Architekt Tobias Nöfer hat sogar 25 Standorte in Berlin identifiziert, an denen künftig 50 Hochhäuser entstehen könnten. Doch diese Entwicklung will der Senat nach Möglichkeit in den kommenden Jahren ausbremsen.

Dagegen ist die Berliner CDU gegen eine Begrenzung der Hochhauspläne. „Wir streben eine Entwicklung mit der klaren Vorgabe an, den Bau von Hochhäusern zu fördern“, sagt CDU-Generalsekretär Stefan Evers. Eine wie von der Koalition geforderte Begrenzung der geplanten Höhen in bestimmten Gebieten lehnt die CDU ab. Sie strebt stattdessen eine „höchstmögliche Verdichtung“ des Stadtgebietes an.

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